Passivhäuser: Fragen & Mythen vs. Wirklichkeit
Wir kennen sie alle: Die vielen Mythen, Halbwahrheiten und Vorurteile, die sich um das Passivhaus ranken. Und wir verstehen, dass auch heute, gut 20 Jahre nach Einführung der ersten Passivhäuser, dieser revolutionären Bauform noch Skepsis entgegenschlägt. So erging es schließlich allen bahnbrechenden Innovationen und Erfindungen der Menschheitsgeschichte: Sie mussten sich beweisen, bekannt und erprobt sein, bevor sie das breite Vertrauen des Volkes gewannen. Besonders dann, wenn sie mit hohen Investitionskosten verbunden sind – wie auch beim Bau eines Passivhauses.
Deshalb möchten wir hier und jetzt eine Lanze für das Passivhaus brechen und mit den gängigen Vorurteilen aufräumen. Damit Sie mögliche Bedenken beiseite schieben können, falls Sie sich schon länger für das Konzept des Passivhauses interessieren – mit dem guten Gefühl, umfassend informiert zu sein.
Mythos 1: „Darf ich im Passivhaus wirklich keine Fenster öffnen?“
Doch, natürlich. So oft Sie möchten! Nur werden Sie feststellen, dass Sie im Passivhaus deutlich seltener das Bedürfnis verspüren, „frische Luft“ reinzulassen. Denn die Lüftungsanlage sorgt rund um die Uhr für frische Luft in Ihrem Haus, indem sie verbrauchte Luft gegen frische in jedem Raum austauscht.
Öffnen Sie Ihr Fenster über längere Zeit, weil Sie ein wenig Vogelgezwitscher reinlassen oder hören möchten, was die Kinder im Garten machen, ist das kein Problem. Eine offene Tür oder Haustür hat während der warmen Jahreszeit keine messbaren Auswirkungen auf Ihre Energiebilanz. Gerade im Sommer hilft die kühle Nacht- und Morgenluft dabei, die gespeicherte Wärme im Haus schneller herunter zu kühlen.
Mythos 2: „Friert man nicht in einem Haus ohne Heizung?“
Ganz bestimmt nicht. Das Fehlen einer klassischen Heizung bedeutet nicht, dass Sie im Passivhaus keinerlei Heizsysteme installieren dürfen. Heizsysteme werden hier allerdings deutlich weniger beansprucht als in konventionellen Häusern. Nämlich nur dann, wenn das Passivhaus nicht ausreichend Wärme selbst erzeugen kann. Passiv erzeugte Wärme bedeutet die Nutzung vorhandener Wärme wie Sonneneinstrahlung, Ihrer Körperwärme und die Ihrer Bewohner und der Abwärme Ihrer elektrischen Geräte, also Herd, Fön, Fernseher etc.
Zusätzliche Wärme entsteht über die Lüftungsanlage, die ein wesentlicher Bestandteil des Passivhauses ist. Sie entzieht der verbrauchten Luft ihre Wärme und führt sie zusammen mit der Frischluft wieder in Ihre Räume zurück. Auf diese Weise verteilt sich eine gleichmäßige Temperatur im ganzen Haus, ganz ohne Heizkörper. Wenn Sie dennoch nicht auf klassische Heizkörper oder eine Flächenheizung im Fußboden oder in der Wand verzichten möchten, können Sie diese zusätzlich installieren.
Fenster, Türen und Wände strahlen im Passivhaus dank der Luftdichtigkeit und Dämmung übrigens keine Kälte ab, sodass Sie an jeder Stelle Ihrer Räume die gleiche (angenehme) Temperatur fühlen.
Mythos 3: „Zieht und rumort es im Passivhaus nicht dauernd wegen der Lüftung?“
Keine Sorge. Das technische Level von Passivhäusern ist derartig weit entwickelt, dass Sie keine spürbare Notiz von Ihrer Lüftungsanlage nehmen werden. Sofern die Luftwechselrate Ihrer Anlage korrekt eingestellt ist und Ihre Technik reibungslos funktioniert, können Sie einen Luftstrom allenfalls direkt am Lüftungsventil fühlen. Die frische Luft kommt gleichmäßig und nahezu geräuschlos in Ihr Haus.
Mythos 4: „Schimmeln luftdichte Häuser nicht irgendwann?“
Ein besonders hartnäckiges Vorurteil: Luftdichte Häuser können nicht „atmen“, weil sie keine Luftfeuchtigkeit nach außen abgeben können. Dieses Szenario kennt man von herkömmlichen Häusern, die zu selten gelüftet werden. Im Passivhaus ist eine Lüftungsanlage Vorschrift. Somit haben Sie rund um die Uhr frische Luft. In der Regel findet im Passivhaus alle ein bis vier Stunden ein kompletter Luftaustausch statt. Die Luftströme vermischen sich dabei nicht. Permanent und völlig automatisch wird Ihre verbrauchte Luft nach außen transportiert und frische Luft nach innen geleitet. Und zwar fast ohne Wärmeverluste. Um diese zu vermeiden, arbeitet die Lüftungsanlage mit intelligenter Wärmerückgewinnung.
Mythos 5: „Wird es nicht viel zu stickig in meinem Schlafzimmer, wenn ich ohne ein geöffnetes Fenster schlafe?“
Niemals. Wenn Sie ein Fan von nächtlicher Frischluft sind, ist gerade das Passivhaus die richtige Wahl für Sie. Auch in diesem Punkt leistet Ihre Lüftungsanlage ganze Arbeit und versorgt Sie die gesamte Nacht (und den Tag) über mit frischer Luft. Eiskalt wird es in Ihrem Schlafzimmer jedoch nie. Denn bezeichnend für das Raumklima sind angenehme und konstante Temperaturen – das ganze Jahr über. Mit einer Ausrichtung Ihres Schlafzimmers nach Norden können Sie eine Erwärmung durch Sonneneinstrahlung dennoch vermeiden.
Auch hier gilt: Wenn Sie ab und zu nachts das Fenster öffnen, wird das Ihrer Energiebilanz nicht schaden.
Mythos 6: „Wird die Lüftungsanlage im Passivhaus mit der Zeit nicht unhygienisch?“
Keinesfalls. Es ist ein beliebter Irrtum, Lüftungsanlagen mit Klimaanlagen gleichzusetzen. Dabei handelt es sich hier um eine völlig andere Technik. Im Gegensatz zur Klimaanlage bleiben alle Leitungen einer Lüftungsanlage trocken, während sich bei der Klimaanlage Keime im Kondenswasser ansammeln können.
Allenfalls Staub kann sich über eine gewisse Zeit in den Leitungen ablagern, tritt aber nicht nach innen in Ihre Räume, da die Luft mehrfach gefiltert wird, bevor sie ins Haus geleitet wird. Aufgrund der Filter gelangt überhaupt nur sehr wenig Staub aus der Außenluft in die Zuluftkanäle. Ein wenig höher ist das Staubaufkommen in den Abluftkanälen, die die Raumluft in Richtung Wärmetauscher führen. Aber auch hier sorgen Filter dafür, dass das Gerät geschützt wird. Zusätzlich können Sie mithilfe spezieller Rohrreinigungssysteme Ihre Lüftungsanlage von Stauablagerungen befreien.
Noch immer Bedenken oder Fragen? Fakten und Infos zum guten Schluss!
Es ist völlig richtig und absolut wichtig, dass Sie sich im Vorfeld genau informieren, wenn Sie sich für den Bau eines Passivhauses entscheiden. Die Mechanismen des Passivhauses erfordern ein höheres Maß an Information und technisches Verständnis als konventionelle Bauten. Legen Sie Wert auf nachhaltiges und umweltfreundliches Wohnen, ist das Passivhaus auf jeden Fall die richtige Wahl für Sie.
Denn immerhin können Sie Ihren Heizwärmebedarf bei dieser Bauform um 90 Prozent reduzieren, verglichen mit einem durchschnittlichen Gebäude. Die restlichen 10 Prozent können Sie mit einem Heizsystem Ihrer Wahl abdecken:
- Zuluftheizung mit elektrischem Heizregister
- Elektrische Heizkörper
- Holz- oder Pelletöfen
- Thermische Solaranlage
- Wärmepumpe
- Nah- oder Fernwärme
Zusätzlich müssen Sie an die Energie für Ihre Warmwasser-/Trinkwasseraufbereitung denken. Diese können Sie weitgehend mit einer Solaranlage auf Ihrem Dach gewinnen. Als weitere Option kommen auch sogenannte Kompaktgeräte in Frage. Sie vereinen die zentrale Lüftungsanlage Ihres Passivhauses mit einer Brauchwasser-Wärmepumpe und decken damit sowohl den Bedarf an Heizwärme, Frischluft und Warmwasser. Auch dezentrale, elektrische Durchlauferhitzer oder eine zentrale Brauchwassererwärmung können installiert werden.
Gerne beraten wir Sie ausführlich in allen Fragen rund um das Passivhaus und begleiten Sie auf dem Weg, Ihr ganz individuelles, energieunabhängiges Haus zu bauen.